Gesellschaft für Geschichte des Branntweins e.V.


Wer die Gegenwart verstehen will, muss mit der Historie vertraut sein

Der Zweck des Vereins Gesellschaft für Geschichte des Branntweins (GGBW) e.V., gegründet 2018, mit Sitz in Bonn ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung zu allen Aspekten der Geschichte des Branntweins.

Geschichte des Branntweinrechts

von Werner Albrecht, Gesellschaft für Geschichte des Branntweins e.V. (GGBW)

Als der Landesverband der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg 1947 gegründet wurde, galt das Gesetz über das Branntweinmonopol vom 8. April 1922. Dieses Gesetz, das die Herstellung und Vermarktung von Branntwein bis Ende 2017 regelte, verwendete den Begriff „Branntwein“ für jeden destillierten Alkohol, unabhängig vom Rohstoff und unabhängig von der Grädigkeit und Reinheit des Erzeugnisses. Auch die trinkfertigen Spirituosen „Obstbranntwein“, „Obstgeist“ und „Liköre“ unterlagen als „Branntweine“ diesem Gesetz. Die auf Spirituosen erhobene Verbrauchsteuer wurde dementsprechend bis Ende 2017 Branntweinsteuer genannt. Seit 1. Januar 2018 heißt die frühere Branntweinsteuer „Alkoholsteuer“ und die verbrauchsteuerrechtlichen Regelungen der Klein- und Obstbrennereien sind im Alkoholsteuergesetz vom 21. Juni 2013 sowie in der darauf basierenden Alkoholsteuerverordnung vom 6. März 2017 niedergelegt. Klein- und Obstbrennereien, die verbrauchsteuerrechtlich Abfindungsbrennereien genannt werden, durften und dürfen noch immer jährlich ohne amtliche Verschlüsse bis zu 300 Liter reinen Alkohol herstellen. Dabei wird die Besteuerung im Vorhinein aufgrund des Rohstoffes und eines amtlichen Ausbeutesatzes berechnet, so dass diese Brennereien in der Regel eine sog. steuerfreie Überausbeute erzielen. Die von Abfindungsbrennereien gewonnenen Destillate unterliegen reduzierten Verbrauchsteuersätzen. Derzeit beträgt der Alkoholsteuersatz für Destillate, die in Abfindungsbrennereien gewonnen werden, 10,22 Euro je Liter reiner Alkohol. Demgegenüber beträgt der Regelsatz der Alkoholsteuer für Spirituosen, die in Verschlussbrennereien oder auf Basis gekaufter Destillate bzw. mit gekauftem Neutralalkohol hergestellt werden, 13,03 € je Liter reiner Alkohol. Die heute geltenden Alkoholsteuersätze sind exakte Umrechnungen der bis zur Einführung des Euro am 1. Januar 2002 geltenden Branntweinsteuersätze in Höhe von 25,50 DM je Liter reiner Alkohol (Regelsatz) bzw. 20,00 DM je Liter reiner Alkohol (reduzierter Satz für Abfindungs-brennereien und Stoffbesitzer) mit dem fixen Umrechnungskurs 1 Euro = 1,95583 DM. Bis 1998 war der reduzierte Branntweinsteuersatz für Abfindungsbrennereien je nach Rohstoff differenziert. Für Brände aus Kernobst oder Korn betrug der Branntweinsteuersatz 21,75 DM je Liter reiner Alkohol, für Brände aus Steinobst, Beeren oder Enzianwurzeln 20,00 DM je Liter reiner Alkohol. Beim Recht der Abfindungsbrenner und Stoffbesitzer handelte es sich um ein historisches Besitzstandsprivileg (sog. Reservatrechte), welches das Königreich Bayern, das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg schon beim Beitritt zum Norddeutschen Bund und erneut bei der Gründung des Deutschen Reichs unter Führung Preußens 1870 bzw. 1871 ausgehandelt haben.

Stoffbesitzer waren und sind übrigens natürliche Personen ohne eigenes Brenngerät, die ihre selbsterzeugten Obststoffe in einer fremden Abfindungsbrennerei destillieren lassen. Bis Ende 2017 gab es aufgrund des genannten Besitzstandsprivilegs Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzer überwiegend nur in den genannten süddeutschen Staaten. Reichskanzler Otto von Bismarck wollte bereits 1886 ein Branntwein-monopol schaffen, scheiterte aber im Reichstag. Das Reichsbranntweinsteuergesetz von 1887, welches das Branntweinsteueraufkommen dem Reich zubilligte, enthielt viele Regelungen, die letztlich im ersten Gesetz über das Branntweinmonopol vom 26. Juli 1918 Eingang fanden. Kein Geringerer als Kaiser Wilhelm II hat das erste Monopolgesetz unterzeichnet. Abfindungsbrenner und Stoffbesitzer hatten nach dem Branntweinmonopol die Möglichkeit, ihre erzeugten Destillate an die Monopolverwaltung (Reichsmonopolverwaltung für Branntwein, Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ab 1951) zu einem angemessenen Preis abzuliefern. Aufgrund von Vorgaben der Europäischen Union musste das Branntweinmonopol Ende 2017 endgültig abgeschafft werden. Staatliche Beihilfen, die sich auf den Preis eines Produktes beziehen, wie dies beim Übernahmepreis für Obstalkohol der Fall war, sind mit den Wettbewerbs- und Beihilferegeln der sog. Gemeinsamen Agrarpolitik unvereinbar, sobald eine gemeinsame Marktorganisation für das Agrarprodukt geschaffen wurde. Dass das Branntweinmonopol überhaupt so lange bis Ende 2017 bestehen konnte, lag daran, dass in den 1970- und 1980-er Jahren vier Vorschläge der Europäischen Kommission für eine europäische Alkoholmarktorganisation im Rat gescheitert waren. Anfang der 2000-er Jahre legte die Kommission einen neuen Vorschlag für eine einfache Rahmenregelung für den EU-Alkoholmarkt vor, die zum 1. Januar 2004 als Verordnung (EG) Nr. 670/2003 in Kraft trat. Diese Verordnung sah für das Branntweinmonopol eine zunächst siebenjährige Übergangsfrist bis Ende 2010 vor, wobei die Kommission verpflichtet wurde, einen Bericht über die weitere Zukunft des Branntweinmonopols vorzulegen. In diesem Bericht schlug die Kommission eine letztmalige Verlängerung der Beihilferegelung des Branntweinmonopols bis Ende 2017 vor, sofern das Branntweinmonopol dann definitiv abgeschafft wird. Somit besiegelte die Verordnung (EU) Nr. 1234/2010 letztlich die Abschaffung des Branntweinmonopols und damit die Möglichkeit für die Klein- und Abfindungsbrenner, ihre Destillate gegen Zahlung eines angemessenen Übernahmegeldes an den Staat abzuliefern. Als Nachfolgeregelung für das Gesetz über das Branntweinmonopol hat der Deutsche Bundestag am 21. Juni 2013 den Entwurf der Bundesregierung für ein neues Alkoholsteuergesetz beschlossen, das die bisherigen Regelungen für Klein- und Obstbrennereien im Wesentlichen auch nach 2017 fortführt. Hierzu noch ein geschichtlicher Rückblick: Bis Ende 2017 benötigten Abfindungsbrennereien ein mit dem Grundstück verbundenes „Brennrecht“. Die Anzahl dieser „Brennrechte“ war sowohl regional als auch innerhalb einer Region begrenzt (sog. Grenzzahl). Das Gesetz über das Branntweinmonopol bezeichnete diese Brennrechte als sog. „monopolbegünstigte Erzeugungsgrenzen“ und „reiner Alkohol“ als „Weingeist“. Bis zum 1. Januar 1993, als die branntweinsteuerrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über das Branntweinmonopol im Hinblick auf die Umsetzung der EWG-Alkoholsteuer-Richtlinien grundlegend überarbeitet werden mussten, wurde die von Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzern gezahlte reduzierte Alkoholsteuer noch „Branntweinaufschlag“ genannt. Das Branntweinmonopol stand seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder auch national auf dem Prüfstand. An dieser Stelle sei beispielhaft nur auf den sog. „Hutter-Plan“ 1983/1984 sowie auf das Haushaltssanierungsgesetz 1999 verwiesen. Der Hutter-Plan, der nach dem damaligen Abteilungsleiter im Bundesministerium der Finanzen Hans Hutter benannt war, sah eine Abschaffung des Branntweinmono-pols nach einer Übergangszeit vor. Die Überlegungen und Beratungen in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag ab Ende 1998, die zur Verabschiedung des Haushaltssanierungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 führten, brachten für das Branntweinmonopol letztlich keine Abschaffung, sondern lediglich eine Reform in Gestalt einer Konzentration auf das landwirtschaftliche Brennereiwesen mit sich. 

Seit 2018 sind Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzer in ganz Deutschland zulässig. Brennrechte müssen nicht mehr käuflich erworben werden, es besteht bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf die Erlaubnis, unter Abfindung zu brennen. Diese Erlaubnis ist nunmehr personenbezogen, so dass z.B. der Sohn oder die Tochter, der bzw. die die Abfindungsbrennerei beim Tode des Vaters erbt, eine neue Brennerlaubnis beantragen muss. Zu diesen Voraussetzungen zählt u.a. eine Mindestfläche von 3 Hektar (Wald, Acker, Streuobst), bei Intensivobst und Weinanbau genügt eine Mindestfläche von 1,5 Hektar.

Wie bereits vorne erwähnt gilt für Stoffbesitzer weiterhin ein jährliches Brennkontingent von 50 Liter reiner Alkohol. Sie dürfen nur selbstgewonnene Obststoffe in Abfindungsbrennereien zu Alkohol bzw. Destillaten verarbeiten lassen. Ausgeschlossen sind sog. mehlige Stoffe wie Kartoffeln oder Getreide. Zu den Obststoffen zählen jedoch weiterhin auch Wein, Rückstände der Weinbereitung (Trester und Trub), Topinambur sowie bestimmte Wurzeln (Enzian, Kalmus, Ingwer). Je Haushalt darf nur eine Person als Stoffbesitzer auftreten. 

Seit 1. Januar 2018 sind zwar die für Abfindungsbrennereien zulässigen Rohstoffe vereinheitlicht und erweitert worden, jedoch sind bei Obststoffen weiterhin nur einheimische Rohstoffe zulässig. Alle zulässigen Rohstoffe mitsamt den geltenden amtlichen Ausbeutesätzen sind in einer sog. Rohstoffliste für Abfindungsbrennereien auf der Website der Zollverwaltung (www.zoll.de) veröffentlicht.  

Dass Deutschland unseren Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzern weiterhin Alkoholsteuerprivilegien in Form von reduzierten Steuersätzen und der pauschalen Besteuerung mit der Möglichkeit, eine sog. steuerfreie Überausbeute zu erzielen, gewähren darf, ist in der sog. EU-Alkoholsteuer-Strukturrichtlinie 92/83/EWG verankert. Die Ermächtigungsgrundlage für die Mitgliedstaaten, Kleinbrennereien verbrauchsteuerrechtlich fördern zu dürfen, konnte Deutschland zu Beginn der 1990-er Jahre bei den Beratungen im Rat zur Verbrauchsteuerharmonisierung, die auf die Vollendung des europäischen Binnenmarktes abzielte, durchsetzen. 

Wie bereits erwähnt, waren in Deutschland bis 14. Dezember 1989 Vorschriften über die Herstellung und Vermarktung von Spirituosen rudimentär ebenfalls im Gesetz über das Branntweinmonopol geregelt, z. B. in § 102 Absatz 1, der für Obstbranntwein (Obstbrand) ein Reinheitsgebot normierte. Ferner gab es die sog. Begriffsbestimmungen für Spirituosen, bei denen es sich um Beschreibungen der Verkehrsauffassung handelte, die von der amtlichen Lebensmittelüberwachung beim Vollzug des Lebensmittelrechtes und von Gerichten zur Rechtsprechung angewandt wurden. Konkret ging bzw. geht es um die Auslegung der Generalklausel, dass die Kennzeichnung von Lebensmitteln, hier die Kennzeichnung von Spirituosen, die Verbraucher nicht in die Irre führen oder täuschen darf. 

Seit 15. Dezember 1989 gilt in der gesamten Europäischen Union für die Herstellung und Vermarktung von Spirituosen die sog. Europäische Spirituosen-Grundverordnung. Diese Verordnung wurde bereits zwei Mal reformiert und fortentwickelt. So galt die Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 bis zum 19. Mai 2008, die ab 20. Mai 2008 von der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 abgelöst wurde. Seit 25. Mai 2021 gilt die Verordnung (EU) 2019/787. Die europäische Spirituosenverordnung definiert 44 Spirituosenkategorien, darunter die Kategorien Obstbrand, Geist (Obstgeist) und Likör (Fruchtlikör). Als rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung (bis 24. Mai 2021 Verkehrsbezeichnung genannt) ist „Branntwein“ EU-spirituosenrechtlich seit 15. Dezember 1989 nur noch für eine Spirituose aus Wein zulässig. So muss ein Obstbrand aus Kirschen jetzt „Kirschbrand“, „Kirschwasser“ oder „Kirsch“ heißen. Kirschbranntwein wäre nicht mehr zulässig. Dass heute Bezeichnungen mit der Silbe „-wasser“ oder „-geist“ als rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen etwa für Zwetschgenwasser oder Himbeergeist überhaupt zulässig sind, ist nicht selbstverständlich. Europarechtliche Regelungen basieren auf der englischen oder früher französischen Originalsprache. Als in der Endphase der Beratungen (1986-1988) der ersten EWG-Spirituosenverordnung alle Bestimmungen noch einmal intensiv und abschließend erörtert wurden, kritisierten z.B. die Vertreter der spanischen und französischen Regierung, dass die Übersetzung etwa von „Kirschwasser“ mit „eau de cerise“ (französisch) oder „agua de cereza“ (spanisch) bzw. „esprit de framboise“ (wörtliche französische Übersetzung für Himbeergeist) für die einheimischen Konsumenten nicht verständlich seien. Als Kompromiss wurde vereinbart, dass die Begriffe „-wasser“ und „-geist“ kursiv geschrieben werden und somit nicht übersetzt werden dürfen. Ein französischer Hersteller eines Kirschbrandes könnte jetzt neben „Kirsch“ und „eau-de-vie de cerise“ (wörtliche Übersetzung: Lebenswasser aus Kirschen) auch „Wasser de cerise“ als rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung verwenden.

Die Spirituosenverordnung enthält auch Regelungen zur Eintragung und damit zum Schutz sog. geografischer Angaben. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2022/888 vom 31. Mai 2022 wurde die Bezeichnung „Hohenloher Birnenbrand“ bzw. „Hohenloher Birnenwasser“ in das Register eAmbrosia eingetragen und damit EU-weit als geografische Angabe geschützt. Hier darf man dem Landesverband der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg zu diesem großartigen Erfolg gratulieren, der passend zum 75-jährigen Bestehen gefeiert werden konnte.

Werner Albrecht beim Festakt zur Eintragung des Hohenloher Birnenbrands am 27.08.2022 im Freilandmuseum Wackershofen

Fotos: Friedrich Springob (Historische Brennerei), Schwäbisches Schnapsmuseum Bönnigheim (Historische Brennanmeldung), Vorstadtbrennerei Gärtringen (Schaugläser) und Kleinbrennerverband NW (Festakt)